Weinpresse aus dem Jahr 1797 findet einen neuen Platz im Stadtmuseum Herrenmühle
Schätze sind meist schwer zu heben – auch wenn sie nicht aus glänzendem Edelmetall und von Geldeswert sind, sondern „nur“ Zeitzeugen vergangener Jahrhunderte. Diese Erfahrung machte Sebastian Hose beim Umbau seines neu erworbenen Anwesens in der Schultheißstraße 9 (ehemalige Zahnarztpraxis Brust-Röllinger).
Im Gewölbekeller des Hauses fand der Apotheker zwar keine Goldmünzen und auch keine kostbaren Geschmeide, aber eine historische Wein- und Mostpresse aus dem Jahr 1797. Diese ließ er nun zu Tage fördern – ein Kraftakt im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Existenz des nach mehr als 200 Jahren immer noch sehr gut erhaltenen Stücks aus massiver Eiche war zwar kein Geheimnis, aber doch nur wenigen Personen bekannt. Christiane Schmid vom Verein für Heimatmuseum und Denkmalpflege beispielsweise wusste von der Existenz des historischen Stückes und organisierte den Abbau der Presse. Denn Hose stellt das historische Stück dem Hammelburger Stadtmuseum Herrenmühle zur Verfügung. Dort soll sie einen würdigen Platz finden.
Größte Herausforderung war das Zerlegen der Kelter. Dafür wurde Zimmermann Gerhard Bornkessel engagiert, der mit Helfern die Presse auseinanderbaute. Bis zu vier Zentner wiegen manche teile der Presse. Für die Männer war das Schwerstarbeit. Denn die Holzteile mussten vom Keller aus über ein Fenster ins Freie gehievt werden. Begutachtet hat die Presse auch ein Historiker. Hose ließ Reinhard Hüßner, den Leiter des Mönchsondheimer Kirchenburgmuseums vorab das wertvolle Stück untersuchen. Er fand heraus, dass es sich bei der Weinpresse um eine Dockenkelter handelt. Zunächst ebenerdig angelegt, wanderte sie im 19. Jahrhundert in den Keller, was allerdings einen Rückbau des ursprünglichen und üblichen Kellerausgangs zur Straße erfordert hatte. Im 20. Jahrhundert wurde die Presse durch den Einbau einer Stützsäule funktionsunfähig gemacht, ergab Hüßners Recherche. Die Initialen im Presszylinder weisen auf den Namen des Besitzers Röllinger hin. Eingekerbt sind außerdem die lateinischen Worte „Fecit Kraft“, hergestellt von Kraft, wie der Name des Erbauers wahrscheinlich lautete.
Der neue Hausbesitzer will auch den Gewölbekeller des Gebäudes erhalten, der wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert stammt, wie typische Bauelemente dieser Ära belegen. Rätsel gab ein Durchlass in der Decke auf, der im Keller mündete. Durch ihn floss der Most in die Fässer, wie sich herausstellte.
Auffällig ist die asymmetrische Wölbung der Kellerdecke. Sie lässt ein eventuell größeres Gewölbe vermuten, das in Richtung Norden weiterführte. Früher war es üblich, Keller bis unter die Straßen zu bauen oder die unterirdischen Räume mit Nachbarn zu teilen, weiß Hose.
Die Theorie scheint plausibel denn die Schultheißstraße gab es zu dieser Zeit nicht. Zwischen dem Bürgerspital und dem verkauften Anwesen stand nach alten Stadtplänen noch ein Haus. Der Zugang aus der damals „Niederen Gasse“, wie die Bahnhofstraße damals hieß, zum Viehmarkt führte durch die Spitalgasse. Wenn auch das vom großen Stadtbrand offensichtlich verschonte Haus nebst Anbau verschwindet, bleibt der Gewölbekeller erhalten. Über die Nutzung will sich Sebastian Hose noch Gedanken machen.
MP vom 11.05.2012 - Von unserem Mitarbeiter Winfried Ehling (alle Bilder Winfried Ehling)